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Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.09.2025: Klare Leitlinien für pandemiebedingte Anpassungen von Hotelmiet - und - pachtverträgen (Az. I-10 U 116/24)

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Das Urteil des OLG Düsseldorf vom 18. September 2025 (Az. I-10 U 116/24) setzt klare Maßstäbe für pandemiebedingte Anpassungen von Hotelmiet- und -pachtverträgen. Es präzisiert die Anwendung von § 313 Abs. 1 BGB und legt strenge Anforderungen an die Darlegung und Beweisführung durch Pächter fest. Nur konkrete behördliche Maßnahmen, die den Hotelbetrieb unmittelbar beeinträchtigen, können eine Vertragsanpassung rechtfertigen, während allgemeine wirtschaftliche Risiken in der Risikosphäre des Pächters verbleiben. Zudem betont das Gericht die objektbezogene Berücksichtigung staatlicher Hilfen und stärkt damit die Position von Verpächtern. Dieses Urteil wird als Leitentscheidung für vergleichbare Fälle wegweisend sein.

Das OLG Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 18. September 2025 eine wegweisende Entscheidung zu den rechtlichen Anforderungen an die Anpassung von Hotelmiet- und -pachtverträgen aufgrund pandemiebedingter Umsatzrückgänge getroffen. Die Entscheidung betrifft insbesondere die Anwendung von § 313 Abs. 1 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) und klärt, unter welchen Voraussetzungen Mieter und Pächter von Hotels eine Reduzierung der Miete oder Pacht verlangen können. Das Gericht hat dabei die Anforderungen an die Darlegung und Beweisführung durch die betroffenen Vertragsparteien präzisiert und die Risikoverteilung in solchen Vertragsverhältnissen deutlich gemacht.

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob die Pächterin eines Hotels Anspruch auf eine Anpassung des Pachtzinses hatte, weil sie während der Covid-19-Pandemie erhebliche Umsatzrückgänge erlitten hatte. Die Pächterin argumentierte, dass die Pandemie und die damit verbundenen behördlichen Maßnahmen die Geschäftsgrundlage des Pachtvertrags gestört hätten, und forderte eine Reduzierung der Pacht und eine Rückzahlung überzahlter Pachtbeträge. Das OLG Düsseldorf wies die Klage jedoch ab, weil die Klägerin nicht darlegen konnte, in welchem Umfang sie aufgrund pandemiebedingter hoheitlicher Maßnahmen, die ihren Betrieb konkret erfassen, ihre vorhandene Beherbergungskapazität nicht ausnutzen konnten und in welchem Umfang sie konkret dem Hotelbetrieb zuzuordnende staatliche Beihilfen erhalten hatte. Das Gericht stellte klar, dass die Pächterin die Darlegungs- und Beweislast für die pandemiebedingten Nachteile trägt, die eine Vertragsanpassung rechtfertigen könnten.

Das Gericht betonte, dass eine Anpassung des Pachtzinses nur dann in Betracht kommt, wenn die behördlichen Maßnahmen, die während der Pandemie ergriffen wurden, den Betrieb des Hotels unmittelbar beeinträchtigt haben. Es reicht nicht aus, allgemeine Umsatzrückgänge oder eine Zurückhaltung von Gästen zu behaupten. Vielmehr muss der Pächter konkret darlegen, welche behördlichen Vorgaben – wie etwa Kapazitätsbeschränkungen oder Beherbergungsverbote – in welchem Zeitraum galten und wie sich diese auf die Nutzung des Hotels ausgewirkt haben. Im vorliegenden Fall konnte die Pächterin nicht hinreichend darlegen, in welchem Umfang die behördlichen Maßnahmen die Beherbergungskapazität des Hotels tatsächlich eingeschränkt haben. Auch fehlte es an einer nachvollziehbaren Aufschlüsselung der Umsatzeinbußen, die unmittelbar auf diese Maßnahmen zurückzuführen waren. Bei einem vorrangig durch Geschäftsreisenden besuchten Hotel genügt der Verweis auf touristische Beherbergungsverbote nicht. Das Gericht stellte klar, dass allgemeine wirtschaftliche Entwicklungen, wie eine Zurückhaltung bei Geschäftsreisen oder eine geringere Nachfrage aufgrund von Unsicherheiten, nicht als Grundlage für eine Vertragsanpassung herangezogen werden können, selbst wenn sie durch staatliche (gleichwohl unverbindliche) Apelle und Warnungen befördert worden sind. Solche Entwicklungen gehören zum allgemeinen wirtschaftlichen Risiko des Pächters. Die diesbezügliche Rechtsprechung des BGH bezeichnet das OLG Düsseldorf ausdrücklich als „gefestigt“. An seiner früheren, weitergehenden Auffassung hält das OLG Düsseldorf ausdrücklich nicht fest.

Ein weiterer zentraler Punkt der Entscheidung war die Berücksichtigung staatlicher Unterstützungsleistungen, die der Pächterin während der Pandemie zugeflossen waren. Das OLG Düsseldorf stellte fest, dass bei der Prüfung solcher Vorteile eine sogenannte „Stand-Alone-Betrachtung“ erforderlich ist. Das bedeutet, dass all die Vorteile berücksichtigt werden müssen, die konkret dem betroffenen Hotel zuzuordnen sind. Die Pächterin hatte die empfangenen Staatshilfen jedoch pauschal auf alle von ihr betriebenen Hotels verteilt, obwohl eine Vielzahl ihrer Hotels nicht oder nicht in gleicher Weise förderfähig war, da für sie eine Umsatzpacht mit geringeren Fixkosten vereinbart oder die Pacht an verbundene Unternehmen zu zahlen war. Dies sah das Gericht als unzureichend an. Es betonte, dass eine Quersubventionierung zwischen verschiedenen Hotels nicht zulasten des Verpächters gehen darf. Die Pächterin hätte darlegen müssen, welche förderfähigen Fixkosten beziehungsweise Umsatzausfälle konkret auf das streitgegenständliche Hotel entfallen. Die Staatshilfen hätte sie dann dementsprechend anteilig zuordnen müssen. Da sie dies nicht getan hatte, konnte das Gericht die Höhe der ihr zugeflossenen Vorteile nicht feststellen.

Das OLG Düsseldorf wies zudem den Einwand der Pächterin zurück, die Beweislast für die Ursachen der Umsatzrückgänge liege bei dem Verpächter. Vielmehr obliegt es der Pächterin, die Umstände darzulegen und zu beweisen, die eine Vertragsanpassung rechtfertigen könnten. Das Gericht stellte jedoch auch klar, dass die Anforderungen an die Darlegung nicht überspannt werden dürfen. Es sei jedoch erforderlich, dass die Pächterin konkrete und nachvollziehbare Angaben zu den relevanten Umständen macht.

Schließlich unterstrich das Gericht die grundsätzliche Risikoverteilung in Hotelmiet- und -pachtverträgen. Das Risiko, mit einem Hotel Gewinne zu erzielen, liegt grundsätzlich beim Mieter oder Pächter. Das Zivilrecht ist nicht dazu berufen, allgemeine wirtschaftliche Risiken oder pandemiebedingte Belastungen auszugleichen. Solche Lastenverteilungen sind Aufgabe des Gesetzgebers, der während der Pandemie durch Staatshilfen, Kurzarbeitergeld und andere Maßnahmen bereits Unterstützung geleistet hat. Das Gericht betonte, dass das Risiko der Wirtschaftlichkeit der Geschäftstätigkeit in einem Hotel allein der Pächter trägt. Dies umfasst auch Rückgänge bei der Nachfrage, die nicht unmittelbar auf behördliche Maßnahmen zurückzuführen sind. Als unbeachtlich ordnete das OLG Düsseldorf in diesem Sinne hoheitliche, jedoch letztlich nicht rechtsverbindliche Apelle und Warnungen ein, nicht zu reisen.

Das OLG Düsseldorf hat sich in seinem Urteil ausdrücklich von einem Urteil des OLG Karlsruhe (Az. 15 U 376/24, nicht veröffentlich) vom 15. August 2025 distanziert, das in einem vergleichbaren Fall eine großzügigere Betrachtung pandemiebedingter Nachteile zugelassen hatte. Während das OLG Karlsruhe auch allgemeine gesellschaftliche Verhaltensänderungen und wirtschaftliche Entwicklungen als unmittelbare Folgen der Pandemie gewertet hatte, stellte das OLG Düsseldorf klar, dass nur konkrete behördliche Maßnahmen, die den Betrieb des Hotels direkt betreffen, eine Vertragsanpassung rechtfertigen können. Allgemeine wirtschaftliche Risiken oder eine Zurückhaltung von Gästen aufgrund der Pandemie seien demgegenüber der Risikosphäre des Pächters zuzuordnen. Das Düsseldorfer Gericht betonte, dass diese strikte Abgrenzung notwendig sei, um die Vertragsparteien nicht mit Risiken zu belasten, die außerhalb des Vertragsverhältnisses liegen.

Mit diesem Urteil folgt das OLG Düsseldorf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere den Urteilen vom 13. Juli 2022 (Az. XII ZR 75/21, NJW-RR 2022, 1303) und vom 23. November 2022 (Az. XII ZR 96/21, NZM 2023, 77). Der BGH hatte in diesen Entscheidungen klargestellt, dass eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB nur bei unmittelbaren Auswirkungen behördlicher Maßnahmen auf den Betrieb des Miet- oder Pachtobjekts in Betracht kommt. Gleichzeitig hat das OLG Düsseldorf mit diesem Urteil seine eigene frühere Rechtsprechung vom 23. Juni 2022 (Az. 10 U 192/21) aufgegeben, in der es noch eine großzügigere Betrachtung pandemiebedingter Nachteile zugelassen hatte. Das Gericht hat sich damit der strengeren Linie des BGH angeschlossen und die Anforderungen an die Darlegung und Beweisführung weiter konkretisiert.

Das Urteil des OLG Düsseldorf hat weitreichende Bedeutung für die Praxis. Es schafft Klarheit darüber, dass eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Pächter von Hotels müssen detailliert darlegen, wie behördliche Maßnahmen ihren Betrieb konkret beeinträchtigt haben, und dürfen sich nicht auf allgemeine wirtschaftliche Entwicklungen berufen. Zudem verdeutlicht die Entscheidung, dass staatliche Unterstützungsleistungen objektbezogen berücksichtigt werden müssen. Eine pauschale Verteilung der Hilfen auf mehrere Objekte ist unzulässig. Das Urteil stärkt damit die Position von Hotelverpächtern und -vermietern und wird voraussichtlich als Leitentscheidung für vergleichbare Fälle herangezogen werden.

 

Verfasst von Dr. Martin Haase und Dr. Christina Költgen-Held.

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